Buchempfehlung „Swerdlow – Erinnerungen an einen Kampfgefährten Lenins“

„Nachdem mein Fuß den festen Boden des verlorenen Erdenwinkels am Polarkreis betreten hatte, macht ich mich als erstes auf die Suche nach Swerdlow. Und ich fand ihn. Wir unterhielten uns sehr lebhaft. Bald stand Tee auf dem Tisch und ich erzählte Jakow ausführlich, was in den Arbeiterzentren vor sich ging… ,Wie ist die Arbeit in den Bezirken organisiert? Besteht eine enge organisatorische Verbindung mit den Massen? Gibt es eine Arbeit in der Armee und zeigen sich reale Ergebnisse?‘ so bestürmte er mich mit Fragen, dabei durchmaß er mit schnellen Schritten das Zimmer, tat tiefe Züge aus seiner Zigarette und fuhrt sich manchmal durch die schwarzen Locken.“ (S. 241)

So beschreibt ein verbannter Bolschewik sein erstes Treffen mit Jakow Michailowitsch Swerdlow in Turuchansk, in Sibirien. Eigentlich kommt Jakow Swerdlow aus dem Ural – aber seine revolutionäre Arbeit in Jekatarienburg, Petersburg und an so vielen anderen Orten Russlands lässt den zaristischen Staat nicht zur Ruhe kommen.

Diese Biographie über ‚Andrej‘ – Swerdlows Kampfname – schafft es, sein Leben mit einem Stück revolutionärer russischer Geschichte und einem authentischen Einblick in „die Bolschewiki“ zu verbinden. Der russischen Kommunistin Klawdija Swerdlowa, der Ehefrau von Jakow Swerdlow, gelingt es in dieser Biographie, nicht nur das Leben von Swerdlow einfach nachzuerzählen, sondern gerade durch die dutzenden Einschübe aus anderen Büchern, Telegrammen und Redebeiträgen ein Bild aus vielen Perspektiven zu zeichnen. Die unzähligen Bekanntschaften und Beziehungen, die Andrej während seiner Arbeit für die Partei aufbaute und pflegte machten das Ganze erst möglich. Dadurch schafft sie es, die Gefühlswelt und Eigenschaften von J.M. Swerdlow bildlich nachzuzeichnen:

Als er das x-te Mal in der Verbannung steckt, in einem Dorf mit nur ein paar Dutzend Einwohner:innen, beschreiben seine Genoss:innen und die Berichte der Polizeibeamten seine Widerstandsfähigkeit und tiefe Einsamkeit zugleich. Als Swerdlow endlich wieder in seiner politischen Arbeit als hervorragender Organisator der Bolschewiki aufgehen kann, beschreiben Lenin, Klawdija Swerdlowa und die Genoss:innen, die Sverdlow anleitet, sein Einfühlungsvermögen und Leitungsfähigkeiten als Sekretär des Zentralkomitees der Bolschewiki und des Gesamtrussischen Zentralexekutivkomitees der Sowjets.

Sein Leben war gekennzeichnet von seiner schnellen Entwicklung, dem revolutionären Optimismus selbst in der größten Einöde nach vorne schauen zu können und seine große Opferbereitschaft für die Sache. Anhand seiner Entscheidungen, den Diskussionen und seinem Platz in der Partei wird die Geschichte der russischen Kommunist:innen greifbar gemacht. Mit seinem Werdegang lässt sich das Zusammenwachsen, die Fraktionskämpfe und die Herausbildung einer kommunistischen Führung in der Partei nachvollziehen.

Einige seiner besonderen Eigenschaften teilte Swerdlow mit seinen Genoss:innen. Die große Opferbereitschaft breiter Teile der russischen Kommunist:innen, alles für die Sache zu geben und hinter dem eigenen Wort zu stehen, war letztlich die Voraussetzung dafür, dass der Aufbau des Sozialismus gelingen konnte.

Natürlich hat das Buch kein „Happy End“ – schließlich ist Swerdlow mit 33 Jahren früh verstorben. Trotzdem ist es kein trauriges Werk. Den Optimismus, den ‚Andrej‘ immer an den Tag gelegt hat, der wird auch auf die Leser:innen übertragen. Wir bekommen das Gefühl, dass man alles geben kann und dass die eigene Arbeit Erfolge tragen wird, auch wenn man das dritte Mal in der sibirischen Verbannung sitzen sollte.

Kurz gefasst: „Swerdlow – Erinnerungen an einen Kampfgefährten Lenins“ ist mehr als nur eine lose Ansammlung von Erinnerungen. Es ist eine ergreifende, authentische Darstellung der jungen Bolschewiki, die den Optimismus und den Drang nach Disziplin dieser Revolutionär:innen gekonnt auf die Lesenden überträgt. Trotz der beachtlichen Länge von über 500 Seiten also kein langweiliger Schinken, sondern eine Kampfansage an die Hoffnungslosigkeit.